Sie haben sich genau überlegt, wie der Hund sein soll, der zu Ihnen und Ihrer Familie passt, Sie haben unter vielen verschiedenen Tieren den einen ausgesucht, der Ihnen auch optisch besonders gut gefällt und dann ist er da und alles ist anders, als Sie es sich vorgestellt haben.
Der Hund will nicht mit den Kindern spielen, rührt das vorgesetzte Futter nicht an, er läuft vor Ihnen weg, wenn Sie mit der Leine kommen und knurrt sogar die Freunde an, die das neue Familienmitglied begrüßen möchten. Alles geht schief und Sie erwägen sogar, den Hund wieder zurückzubringen. Wir Menschen machen uns von vielen Dingen im Leben vorher ein klares Bild und unsere Erwartungen sind schnell enttäuscht, wenn das, was dann tatsächlich passiert, diesem Bild nicht entspricht. Bei unserem Hund nehmen wir uns damit die wunderbare Chance, entspannt abzuwarten, wie sich der Hund in unsere Lebensstruktur einfügt.
Natürlich braucht jeder Hund Deutlichkeit, Konsequenz und Führung, egal, ob es ein Welpe vom Züchter oder ein erwachsener Hund aus dem Tierheim ist. Trotzdem können wir uns, gerade bei einem erwachsenen Hund, erlauben, ihn nicht sofort zu reglementieren und nach unserem Bild zu formen, sondern gelassen zu schauen, welche Persönlichkeit wir uns da ins Haus geholt haben.
Alle Sinne nutzen
Ermutigen Sie auch Ihre Familie dazu, alle Sinne zu nutzen, wenn es darum geht, das neue Rudelmitglied wahrzunehmen. Gerade für Kinder, die meistens gleich mit ihrem neuen Freund spielen wollen, hat es einen positiven Effekt, wenn sie lernen, den Hund erst einmal zu lassen. Hinschauen, hinhören, abwarten und wahrnehmen wird für viele Kinder in unserer reizüberfluteten Welt immer schwerer.
Ist es da nicht schön, wenn Sie die Möglichkeit haben, dies mit Ihrem neuen Hund zu lernen? Das neue Familienmitglied wird in seiner neuen Umgebung mit Reizen überschüttet. Alles ist neu, Geräusche, Düfte, Menschen, Rituale – schenken Sie sich und Ihrem Hund die gemeinsame Zeit des Kennenlernens und machen Sie daraus für sich und Ihre Familie eine schöne, ruhige Phase, in der Sie auch einfach mal die Füße hochlegen und beobachten, was Ihr Hund tut.
Bestimmt werden Ihnen dann Dinge an Ihrem Hund auffallen, die Sie in Aktivität und Hektik gar nicht bemerkt hätten. Vielleicht eine besonders schöne Zeichnung in seinem Fell, ein einzigartiger Blick oder einfach nur eine ungewöhnliche Art zu liegen.
Die große weite Welt entdecken
Und wenn Sie sich vertraut geworden sind und Sie sich gemeinsam aus der Schutzzone des Hauses in die große weite Welt bewegen, wird es gleich wieder spannend: gemeinsam begegnen Sie anderen Hunden und ihren Menschen. Eine gute Gelegenheit, etwas über Ihre eigene Kommunikation zu erfahren. Beobachten Sie einmal Ihre Gefühle und Gedanken, wenn Sie anderen Hunden und ihren Besitzern begegnen.
Seien Sie ehrlich: Überwiegt das Positive oder sind es eher Ängste, Vorurteile und Unsicherheiten, die uns bei so einer Begegnung beeinflussen? Machen Sie auch um bestimmte Leute mit ihren Hunden einen Bogen, wenn Sie sie auf der Straße treffen? Auch hier kann Ihnen Ihr Hund behilflich sein, unnötige Verhaltensmuster abzulegen. Entweder ist er ein verträglicher Geselle und lehrt Sie, dass Ihre Ängste unbegründet waren, oder er zeigt Ihnen mit seinem Verhalten, dass auch er in der Kommunikation mit anderen Hunden etwas neu lernen muss.
Je nach Vorgeschichte des Hundes kann er zum Beispiel durch einen Aufenthalt im Tierheim und damit verbundener Zwingerhaltung verunsichert sein. Vielleicht musste er sich auch als ehemaliger Straßenhund früher erst einmal gegen alles wehren, was ihn bedroht hat. Auch ein Welpe wird nach der ersten beschützten Zeit zu Hause und in der Welpenstunde mit Ihnen seine Welt entdecken.
Emphatie und Körpersprache
In allen Fällen müssen wir etwas aufbringen, was auch im Umgang mit Menschen hilfreich ist: Empathie. Wenn wir es schaffen, uns nicht nur in die Wirklichkeit des Hundes hineinzuversetzen, ihn zu beobachten und zu verstehen, sondern auch versuchen, den anderen Hundebesitzer in seinem verbalen und nonverbalen Ausdruck wahrzunehmen, haben wir die Kommunikationssituation in der Hand und sind ihr nicht hilflos ausgeliefert. Beobachten Sie einmal die Körpersprache eines anderen Hundebesitzers, dem Sie begegnen (keine Sorge – Ihr Hund übernimmt das sicher für den vierbeinigen Kollegen). Kommt jemand selbstsicher daher und schaut Sie an?
Oder ruft Ihr Gegenüber aufgeregt nach seinem Hund (der natürlich nicht kommt) und signalisiert Ihnen, dass es problematisch werden könnte? Auch hier gilt: In erster Linie müssen wir natürlich genug über die Körpersprache unserer Hunde wissen, um wirklich problematische Situationen vermeiden zu können, aber fast zeitgleich sollten wir uns beobachten.
Atmen Sie ruhig weiter, lassen Sie die Leine möglichst locker hängen, nehmen Sie den Hund auf die andere Seite und stellen Sie sich mental auf eine positive Begegnung ein. Suchen Sie sich etwas, das Sie an Ihrem Gegenüber positiv empfinden – das kann eine Hunderasse sein, die Ihnen besonders gut gefällt, aber auch eine schöne Jacke oder eine pfiffige Frisur. Auch beim Zusammentreffen ohne Hund macht es Spaß, grundsätzlich mit einer guten Absicht in eine Begegnung hineinzugehen.
Ruhe und Gelassenheit
Wenn wir Geduld, Gelassenheit, Empathie, Ruhe und einen bewussteren Einsatz unserer Sinne mit unseren Hunden lernen können, haben wir zusätzlich zu unserem neuen Familienmitglied schon ein schönes Geschenk für die Entwicklung unserer eigenen Persönlichkeit erhalten. Wenn unser Hund uns hilft, uns wieder mehr Zeit für das Beobachten und Abwarten zu nehmen, haben wir etwas wiedergewonnen, das in unserem hektischen Alltag verloren zu gehen droht.
Dieser Text ist entnommen aus "HundeSchnauze", mit freundlicher Genehmigung der Uelzener Versicherungen und stammt von der Autorin Dorothee Dahl.
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