Ein Wolf im Haus

Ein Wolf im Haus

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Viel diskutiert, aber inzwischen eindeutig geklärt: Der Wolf ist der direkte Vorfahre unserer Hunde. Namhafte Wolfs- und Hundeforscher haben den Weg vom wilden Wolf zum domestizierten Haushund nachvollzogen und plausibel beschrieben. Schon lange gibt es eine dichte Verbindung zwischen Wolf und Mensch, die beiden gedient hat: Den Wölfen, weil sie in der Nähe der Menschen Nahrung fanden, den Menschen, weil die Wölfe ihre Lager sauber hielten. Später, als Wolfswelpen in menschlicher Obhut groß wurden, nahm die Fluchttendenz dieser Tiere immer mehr ab und sie entwickelten sich zu Jagdgenossen, die nah mit ihren Menschen zusammenlebten.

Der Wolf im Yorkshire Terrier

Natürlich fragen wir uns, was beispielsweise ein kleiner Yorkshire Terrier noch mit dem Wolf gemein hat. Auch wenn Wolf und Hund genetisch nahezu identisch sind, fällt es uns schwer, in dieser „Handvoll Hund“ die graue Eminenz noch zu erkennen.

Durch Zucht und Rasseauslese hat sich das äußere Bild des Hundes stark verändert und es gibt nur noch wenig Rassen, wie den deutschen Schäferhund und den Husky, in denen wir den Vorfahren Wolf wirklich erkennen können.Die Ähnlichkeit, aber auch der Unterschied liegt viel mehr im Verhalten.

Bis heute erklärt man Hundeverhalten oft mit falschen Vorstellungen vom Wolfsverhalten und viele Probleme werden im Zusammenhang mit vermeintlichem Rangordnungsdenken gesehen.Es wird immer wieder davon gesprochen, man müsse für seinen Hund ein gutes Alphatier sein. Tatsächlich wird aber ein solches Hierarchiedenken beim Hund angezweifelt und viele Hundetrainer rücken von dieser Sichtweise ab.Ein weiterer signifikanter Unterschied liegt im Kommunikationsverhalten.

Wölfe kommunizieren im Gegensatz zu Hunden mehr mit ihrer Körpersprache und Mimik. Hunde dagegen setzen Knurren, Gebell und andere Lautäußerungen zur Kommunikation ein.Bei ängstlichen Hunden kann man aber Ähnlichkeiten mit dem Wolf beobachten. Wölfe haben einen hohen Fluchtinstinkt und reagieren auf Reize hochsensibel. Man könnte deshalb fast behaupten, ängstliche Hunde verhielten sich eigentlich wie ganz normale Wölfe.Die Standardstrategie des Wolfes für den Umgang mit Angst auslösenden Reizen war immer die Flucht.

Wenn der Wolf merkt, dass ihm die Flucht nichts nützt, kann es sein, dass er sich verteidigt. Dies wird er immer aus einer Situation heraus tun, die sich für ihn als Notsituation darstellt. Im Vergleich mit dem Hundverteidigen sich manche ängstliche Hunde auch dann, wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlen. Wölfe und Hunde sind normalerweise nur dann aggressiv, wenn ihnen kein anderer Ausweg bleibt, wobei der Hund dieses Verhalten möglicherweise erst sehr viel später einsetzen wird, als sein grauer Vorfahre.

Sozialisation und Prägung

In der Aufzucht unserer Hunde spielt die Sozialisation eine immense Rolle. Je weniger ein Welpe in seinen ersten Lebenswochen auf die große weite Welt vorbereitet wird, wenn er zum Beispiel in einem Stall oder einem Zwinger aufwächst und diesen nicht verlassen kann, desto mehr ähnelt sein späteres Verhalten einem Wolf. Solche Hunde zu unkomplizierten Familienmitgliedern zu erziehen, erfordert viel Erfahrung, Einsicht und Geduld. Der Hund muss zu einem späteren Zeitpunkt lernen, seine Strategien zu verändern und Vertrauen zum Menschen aufbauen. Viele Verhaltensprobleme entstehen schon in dieser frühen Zeit der Prägung und Sozialisation.

Damit sind sie nicht direkt auf den Wolf zurückzuführen, finden sich aber in wölfischem Verhalten wieder, in das die Hunde „zurückfallen“, wenn sie auf sich gestellt aufwachsen. Hunde werden im Vergleich zum Wolf niemals erwachsen. Dr. Peter Neville, ein britischer Hundeexperte sagt, dass Hunde mental auf der Entwicklungsstufe eines halbwüchsigen Wolfes stehen bleiben.

Auch wenn Hunde mit der Geschlechtsreife körperlich erwachsen werden, fällt es ihnen mit ihrem kindlich verspielten Verbleib in der Wachstumsphase viel leichter als ihren wilden Verwandten, mit Menschen zusammenzuleben und sich deren Lebensweise anzupassen. Man kann zwar einen Wolf aufziehen und an die Nähe von Menschen gewöhnen, in dem Moment aber, in dem er geschlechtsreif wird, kann es aufgrund einer niedrigeren Aggressionsschwelle zu gefährlichen Problemen mit dem Wildtier kommen.Auch wenn der Wolf ein naher Verwandter ist, haben wir mit unseren Hunden eindeutig einen domestizierten Nachfahren im Haus, mit dem es sich leichter lebt als mit dem flüchtigen Wildtier.

Angesichts der wölfischen Überlebensstrategien Flucht und Aggression wird aber wieder besonders deutlich, wie wichtig die Prägung und Sozialisation unserer Haushundwelpen ist. Auch bei der Analyse von Problemen mit unseren Haushunden kann der Rückblick auf das Verhalten der wölfischen Verwandtschaft hilfreich sein. Dies sollte aber auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beruhen und nicht oberflächlich bewertet werden.

Dieser Text ist entnommen aus "HundeSchnauze" Nr. 1, 2009, mit freundlicher Genehmigung der Uelzener Versicherungen und stammt von der Autorin Dorothee Dahl.

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