Es betrifft uns alle, die wir unsere Haustiere wie Familienmitglieder lieben und behandeln. Egal, ob sie noch jung sind und an einer tödlichen Krankheit leiden, oder ob sie altersbedingte schwere Krankheiten haben: Es kommt mit Sicherheit der Tag, an dem wir uns fragen, ob ihr Leben noch lebenswert ist. Ob wir ihnen Leid zufügen, wenn wir sie weiterleben lassen, oder ob wir ihnen Schlimmes antun, wenn wir ihnen helfen, aus dem Leben zu gehen. Wann ist der richtige Moment gekommen, sich zu verabschieden und mitzuhelfen, dass sie sanft und schmerzlos aus dem Leben gehen können? Wie können wir spüren, wann es soweit ist?
Manchmal ist es ganz schwer, das einzuschätzen. Woher soll ich wissen, ob der momentane schlechte Gesundheitszustand nicht nur vorübergehend ist, ob sich mein Liebling nicht doch wieder berappelt? Oder ob er furchtbar leidet, sich quält und eigentlich gar nicht mehr leben möchte und ich ihn nur unnötig leiden lasse?
Natürlich wünschen wir uns alle, dass unsere Haustiere eines natürlichen Todes sterben, am besten zuhause und in unseren Armen oder im eigenen Bettchen. Aber nicht immer geht das so einfach. Oft hat das Tier eine unheilbare Krankheit, die ein langes Leiden verursachen kann, von dem wir wissen, es gibt keine Verbesserung, nur Verschlechterung. Wie lebenswert ist sein Leben dann noch? Woran sollen wir erkennen, ob noch Lebensqualität vorhanden ist? Oder ob vielleicht sogar eine Leidenspause eingetreten ist und es sich doch noch berappelt? Oder ob die Krankheit sogar zum Stillstand kommt; denn auch das gibt es?
Es gibt verschiedene Signale, Anzeichen für den Verlust von Lebensqualität, die einzeln betrachtet, noch nicht den Schritt nahe legen, dem geliebten Tier den letzten Weg zu bahnen, wohl aber dann, wenn viele von ihnen zusammen auftreten und nicht enden wollen. Anhaltspunkte, die uns da vielleicht weiterhelfen, die Situation besser einschätzen zu können und die richtige Entscheidung zu treffen, sind eventuell die folgenden (alphabetisch aufgeführt):
APPETITLOSIGKEIT (oder auch die physische Unfähigkeit Futter aufzunehmen)
Wenn unsere Lieblinge nicht mehr alleine bzw. freiwillig essen wollen oder können, so ist das noch kein Zeichen dafür, dass sie nicht mehr leben wollen. Es kann ihnen vorübergehend schlecht sein. Oder eine Organerkrankung wie Bauchspeicheldrüsen-, Leber- und Niereninsuffizienz oder auch eine Infektionskrankheit nehmen ihnen den Appetit. Aber auch Erscheinungen wie Kieferbrüche, Tumore im Maulhöhle- oder Kehlkopfbereich können die Futteraufnahme verunmöglichen.
Längere Hungerphasen führen dazu, dass essentielle Nährstoffe fehlen und die Organe unwiederbringlich geschädigt werden. Bei Katzen droht die lebensbedrohliche hepatische Lipidose. Daher kann hier (wenn nicht noch viele andere Zeichen dafür sprechen, dass das geliebte Haustier aus dem Leben gehen will – s. weiter unten), mithilfe von Assistenzfütterung Abhilfe geschaffen werden, z. B. durch püriertes hochkalorisches Päppelfutter, in eine Spritze (ohne Nadel) aufgezogen und ins Mäulchen gegeben, oder – wenn dies unmöglich ist - mithilfe der sog. parenteralen Ernährung über einen Venenkatheter. Oftmals hilft aber auch ganz einfach ein Mittel gegen die Übelkeit.
Voraussetzung ist, dass diese Maßnahmen nur vorübergehend eingesetzt werden müssen, um dann wieder zur eigenständigen Form der Nahrungsaufnahme zurückzukehren.
ATEMNOT:
Atemschwierigkeiten verursachen große Not und oftmals schwere Schmerzen. Hier muss unbedingt für langfristige Linderung gesorgt werden (s. auch weiter unten zum Thema Schmerzen).
AUSTROCKNUNG:
Dasselbe gilt für die Flüssigkeitsaufnahme. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, entweder oral oder mit Infusionen ist unabdingbar, um langfristige Austrocknung und somit Organschädigungen zu verhindern.
BEHINDERUNGEN UND EINSCHRÄNKUNGEN IN DER BEWEGLICHKEIT:
Ein Hund oder eine Katze können ihr Leben auch bei eingeschränkter Mobilität noch genießen, solange sie interessiert an ihrer Umgebung sind und Anteil an ihr nehmen. Unzählige Beispiele zeigen, dass auch Tiere mit Behinderungen - z. B. mit fehlendem Hörsinn, bei Blindheit, ja sogar mit fehlenden Gliedmaßen - das Leben durchaus genießen können. Natürlich muss hier Rücksicht genommen, bei fehlendem Hörsinn entsprechende Sicht-Signale verabredet oder bei Blindheit Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Tragemöglichkeiten und Rampen bei Einschränkungen in der Fortbeweglichkeit (Springen ins Auto, Treppensteigen) verbessern die Lebensqualität. Aber ein zurückgezogenes Tier, das nicht mehr aufstehen und sich bewegen möchte, lässt vermuten, dass ernsthafte, womöglich dauerhafte Probleme (unerträgliche Schmerzen, fehlende Kraft, Organschwächen bis -versagen, Lähmungen) vorliegen.
ERBRECHEN UND/ODER DURCHFALL:
Werden Erbrechen und Durchfall zur Dauererscheinung, kann das Tier sich kaum noch erholen, und es besteht die Gefahr von Dehydratation, Elektrolyteverlust, Mangelernährung (s. oben bei Appetitlosigkeit und Austrocknung) bis hin zur Unterernährung und Organversagen. Diese Symptome gehören in tierärztliche Behandlung, müssen mithilfe von Medikamenten gelindert werden; sonst ist eine entscheidende Einschränkung der Lebensqualität zu verzeichnen.
KRÄMPFE UND ANFÄLLE:
Auch wenn Krämpfe und Anfälle nicht mehr enden wollen und selbst mithilfe von Medikamenten nicht in den Griff zu bekommen sind, dann wird das Leben für das Tier schwer erträglich.
SCHMERZEN:
Hat mein Tier Schmerzen? Bewegungsunlust, Rückzug, oftmals auch Appetitlosigkeit können Anzeichen für Schmerzen sein. Ein angemessenes Schmerzmanagement ist unabdingbar (das trifft natürlich auch für nicht terminale Krankheiten zu). Es gibt leichte, mittelstarke und starke Schmerzmittel. Für Hunde und Katzen treffen da ähnliche Abstufungen zu, wie wir sie aus der Humanmedizin kennen. Die Schmerzmittel der Stufe III sind stark wirksame opioidhaltige Schmerzmittel. Es ist wichtig, mit dem Tierarzt deren Einsatz zu besprechen, um sein Tier nicht leiden zu lassen.
DEUTLICH MEHR SCHLECHTE ALS GUTE TAGE:
Wenn wir feststellen müssen, dass die schlechten Tage überwiegen, Tage, an denen viele der oben genannten Symptome zusammenkommen, Krämpfe, Erbrechen, Durchfälle, Schmerzen, Rückzug, völlige Bewegungsunlust, kein Interesse mehr an der Umgebung, Appetitlosigkeit und vielleicht sogar Anfälle, keine Hoffnung auf Besserung: Dann müssen wir mit unserem Tierarzt sprechen, damit er uns hilft, die richtige Entscheidung zu treffen.
Es ist selbstverständlich, dass alle hier behandelten Aspekte tierärztlich besprochen und begleitet werden sollten.
Anmerkung: Dieser Beitrag - sowie auch andere in diesem Portal - ersetzt keinesfalls den Besuch beim Tierarzt!
© Victoria Caesar - Alle Rechte vorbehalten
Unterstützung in Hundefragen hier:
Unterstützung in Katzenfragen hier:
Die Inhalte dieses Portals dürfen nur mit schriftlich erteilter Genehmigung der Autor*innen vervielfältigt oder woanders veröffentlicht werden. Anfragen dazu auf der Kontaktseite